Video
Transkript
Im Universum steht nichts still.
In der Milchstraße umkreisen Millionen von Sternen das galaktische Zentrum.
Einige - wie unsere Sonne - sind recht beständig,
bleiben im Schnitt 30.000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt
und brauchen für einen vollen Orbit etwa 230 Millionen Jahre.
Allerdings gleicht dieser Tanz keinem geordneten Ballett -
eher einer Eislaufbahn voller angetrunkener Kleinkinder.
Dieses Chaos machen aus der Galaxie einen gefährlichen Ort.
Unsere solare Nachbarschaft ist einer stetigen Veränderung unterworfen
und die Sterne bewegen sich mit Hunderten Kilometern pro Sekunde.
Nur die schieren Entfernungen zwischen den Objekten
schützen uns vor den Gefahren dort draußen.
Leider könnte uns das Glück in der Zukunft verlassen:
Irgendwann könnten wir die Supernovaexplosion eines sterbenden Sternes erleben.
Oder den Vorbeiflug eines massiven Objektes, der die Erde mit Asteroidenschauern überzieht.
Sollte es jemals zu so etwas kommen, wüssten wir im Idealfall Tausende,
wenn nicht Millionen von Jahren vorher.
Und dennoch könnten wir nichts dagegen unternehmen.
Es sei denn, wir bewegten unser komplettes Sonnensystem aus der Schusslinie.
Um unser Sonnensystem zu bewegen, brauchen wir einen Stellaren Motor,
eine Megastruktur, mit der man einen Stern durch die Galaxie lenken kann.
Es ist eines der Dinge, die von einer weiterentwickelten Zivilisation
mit Technologien auf Dysonsphären - Level gebaut werden könnte,
die sich mit ihrer Zukunft in einigen Millionen Jahren beschäftigt.
Aber wie sollen wir die Hunderttausende Objekte in unserem Sonnensystem überhaupt bewegen?
Glücklicherweise müssen wir uns damit nicht aufhalten.
Wir müssen nur die Sonne bewegen. Alles Andere ist per Gravitation mit Ihr verbunden
und folgt Ihr, wohin sie sich auch bewegen mag.
Es gibt unzählige Ideen davon, wie ein stellarer Motor aussehen oder funktionieren könnte.
Wie haben uns zwei ausgesucht, die unserem physikalischen Verständnis entsprechen
und theoretisch gebaut werden könnten.
Die einfachste Art eines stellaren Motors ist das “Shkadov Triebwerk” - ein gigantischer Spiegel.
Er arbeitet nach den Grundlagen der Raketentechnik.
Genauso wie normaler Brennstoff
besitzen die Photonen, die als Sonnenstrahlung abgegeben werden, einen Impuls.
Nicht viel, aber immerhin etwas. Wenn nun
beispielsweise ein Astronaut im Raum eine Taschenlampe einschaltete,
würde er fortgetrieben. Sehr, sehr langsam.
Ein stellarer Motor würde ein wenig effizienter als eine Taschenlampe arbeiten,
denn die Sonne produziert Unmengen von Photonen.
Die Grundidee hinter dem “Shkadov Triebwerk” ist es, mehr als
die Hälfte der Sonnestrahlung zu reflektieren um Schub zu erzeugen
und die Sonne langsam an den Ort zu treiben, den wir ihr bestimmt haben.
Damit das “Shkadov Triebwer” korrekt arbeiten kann, muss es
an einem Fixpunkt gehalten werden und darf die Sonne nicht umrunden.
Doch auch wenn die Anziehungskraft der Sonne versuchen wird, es anzuziehen,
wird der Spiegel durch den Strahlungsdruck der Sonne auf Abstand gehalten.
Das bedeutet, der Spiegel muss sehr leicht sein
und aus einer einen Mikrometer dicken Reflektionsfolie gemacht werden,
die aus Aluminiumlegierungen besteht.
Auch die Form des Spiegels ist wichtig.
Die Sonne in eine riesige Halbkugel zu hüllen würde nicht funktionieren,
denn so würde Licht wieder zur Sonne gelangen, sie weiter anheizen
und allerhand unangenehmer Probleme hervorrufen.
Stattdessen nutzen wie einen Parabolspiegel, der
den Großteil der Sonnenstrahlen um die Sonne herum in die selbe Richtung abstrahlt
und so den Schub maximiert.
Um zu verhindern, aus Versehen die Erde zu verbrennen oder einzufrieren,
weil sie zu viel oder zu wenig Sonnenlicht abbekommt, ist
der einzig sichere Platz für den Bau des Triebwerkes über den Polregionen der Sonne.
Das bedeutet, dass wir die Sonne nur vertikal zur Achse des Sonnensystems
und in einer einzigen Richtung innerhalb der Milchstraße bewegen können, was unsere Reiseziele etwas einschränkt
Aber damit wäre es auch schon getan.
Für eine Zivilisation, die eine Dysonsphäre erbauen kann
wäre so etwas ein relativ einfaches Unterfangen.
Nicht kompliziert - nur sehr schwer zu bauen.
Bei vollem Schub könnte das Sonnensystem
wahrscheinlich um etwa 100 Lichtjahren in
einem Zeitraum von 230 Millionen Jahren verschoben werden.
In ein paar Billionen Jahren gäbe uns diese Methode nahezu vollständige Kontrolle der Sonnenumlaufbahn innerhalb der Galaxie
Aber auf kurze Sicht könnte dies nicht schnell genug sein, um erfolgreich
einer tödlichen Supernova ausweichen zu können.
Aus diesem Grund glauben wir, das geht noch besser.
Also fragten wir unseren befreundeten Astrophysiker,
ob er für dieses Video einen schnelleren
stellaren Motor erfinden könnte.
Das tat er, und schrieb eine Abhandlung darüber, die
in einem wissenschaftlichen Magazin veröffentlicht wurde.
Ihr findet den Artikel in unseren Quellenangaben.
Wir werden unseren neuen stellaren Motor
“Caplan Triebwerk” nennen.
Im Grunde funktioniert es wie eine ganz normale Rakete:
schiebe Dich mit dem Verbrennungsprodukt in die entgegengesetzte Richtung.
Es handelt sich um eine riesige, plattformartige Raumstation,
die, angetrieben von einer Dysonsphäre Material von der Sonne abzweigt,
um Kernfusionen durchzuführen.
Sie gibt einen Partikelstrahl mit etwa einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit
ab, der aus dem Sonnensystem herausstrahlt.
Ein zweiter Strahl schiebt die Sonne mit -
wie ein Schlepperboot.
Das “Caplan Triebwerk” benötigt eine Unmenge an Treibstoff - Millionen Tonnen
Treibstoff pro Sekunde.
Um den Treibstoff einzusammeln, benutzt unser Triebwerk riesige
elektromagnetische Felder, um Wasserstoff und Helium aus dem
Sonnenwind in den Motor zu leiten.
Allerdings reichen die Sonnenwinde als alleiniger Treibstoff nicht aus.
Und deshalb brauchen wir die Dysonsphäre.
Mit ihrer Hilfe kann Sonnenlicht wieder zurück zur
Sonnenoberfläche reflektiert werden.
Damit werden kleine Areale auf unglaubliche Temperaturen erhitzt
und Milliarden Tonnen an Materie von der Sonne abgehoben.
Dieses Material kann gesammelt und in
Wasserstoff sowie Helium getrennt werden.
Das Helium wird mit unglaublicher Wucht in thermonuklearen Fusionsreaktoren “verbrannt”.
Ein Strahl radioaktiven Sauerstoffs mit einer Temperatur von
beinahe einer Million Grad wird abgegeben und dient so als
Hauptantrieb für unseren stellaren Motor.
Um zu verhinder, dass der Motor in die Sonne stürzt,
muss er sich ausbalancieren.
Dazu beschleunigen wir den gesammelten Wasserstoff
mittels elektromagnetischer Felder aus Teilchenbeschleunigern
und schießen ihn als Partikelstrahl zurück zur Sonne.
Dies stabilisiert das Triebwerk und leitet den gewonnenen Schub
unseres Motors zurück zur Sonne.
Dieser Motor kann die Sonne in nur etwa einer Millionen Jahren
um ungefähr 50 Lichtjahre verschieben - mehr als genug
um einer drohenden Supernova zu entkommen.
Bei vollem Schub kann unser Sonnensystem
innerhalb von 10 Millionen Jahren
einen komplett gegenläufigen Orbit einnehmen.
Aber .. Moment mal: verbrauchen wir dadurch nicht unsere Sonne?
Zum Glück ist unsere Sonne ein so massiver Körper,
dass selbst Milliarden von Tonnen an verbrauchtem Material kaum ins Gewicht fallen.
Im Grunde könnte solch eine Megastruktur die Lebensdauer der Sonne sogar verlängern,
denn Sterne mit geringerer Masse brennen schneller aus.
So wird unser Sonnensystem für weitere
Milliarden von Jahren bewohnbar bleiben.
Mit einem “Caplan Triebwerk” könnten wir aus unserem kompletten Sonnensystem
unser eigenes, eigenständiges Raumschiff machen.
Zum Beispiel könnten wir rückwärts durch die Milchstraße reisen
und Hunderte, ja Tausende anderer Sonnensysteme koloniesieren,
während wir an ihnen vorüber reisen.
Es wäre sogar möglich, ganz aus der Galaxie zu flüchten
und über die Milchstraße hinaus zu reisen.
Stellare Motoren sind die Art Maschinen, die von Zivilisationen gebaut werden, welche
nicht in Zeiträumen von Jahren oder Jahrzehnten,
sondern Äonen denken.
Und da wir wissen, dass unsere Sonne irgendwann verlöschen wird
könnte ein stellarer Motor den in ferner Zukunft folgenden Generationen
der Menschheit die Möglichkeit geben, andere Sterne zu bereisen, ohne auch nur
einmal in den grausigen, dunklen Abgrund des
interstellaren Raumes eintauchen zu müssen.
Bis wir einen stellaren Motor bauen, treiben wir jedoch herum
und sind den Launen der galaktischen See ausgesetzt
Wir mögen den uns aufgetanen Weg nicht gutheissen,
doch vielleicht werden unsere Nachfahren die Segel setzen
und die folgenden Milliarden Jahre als interstellare Spezies verbringen
Dies war das unser letztes Video für das Jahr 2019
in der Ära der Menschheit.
Und was für ein Jahr das war. So viel passierte
so vielen Leuten an so vielen Orten.
Kalender und Feiertage sind nur Einbildungen
aber sie helfen uns, unsere Leben in Abschnitte zu unterteilen
die unser Hirn begreifen kann.
Wir verlassen das Jahr 2019 mit einer seltsamen Mischung
aus Enttäuschung und Hoffnung.
Die Welt ist ziemlich kaputt, aber
wir können sie reparieren. In ein paar Tagen wird dieses Jahr vorüber sein.
Und wir bekommen eine neue Chance.
Danke, dass Ihr unsere Videos angeschaut habt. Und dafür, uns
für so viele Jahre zu begleiten.
2020 sehen wir uns wieder.